Prader Willi Syndrom: Was ist PWS? 2017-02-26T22:01:05+00:00

Prader-Willi-Syndrom

Das Prader-Willi-Syndrom, welches 1956 erstmals von den Schweizer Ärzten Pra­der, Willi und Labhart beschrieben wurde, betrifft eines von ca. 10.000 Neugeborenen. Es wird angenommen, daß es weltweit 350.000 Men­schen mi PWS gibt. PWS entsteht durch eine spontane (zufällige) Mutation (Veränderung) des Erbgutes und kann somit Jeden treffen.

Einige der Hauptmerkmale vom PWS

  • Ernährungsschwierigkeiten und Muskelschwäche im Neugeborenenalter
  • Unterschiedliche motorische und intellektuelle Verzögerung
  • Fehlendes Sättigungsgefühl
  • Massives Übergewicht
  • Sprech- und Sprachprobleme
  • Verhaltensprobleme

Viele vom PWS Betroffene sind noch ohne Diagnose. Eine frühe Diagnostik ist von entscheidender Bedeutung für eine Therapie. Heute kann die Diagnose im ersten Lebensmonat durch einen molekulargenetischen Test erstellt werden. Nach neuen Erkenntnissen kann jedes Symptom einzeln therapiert werden, was zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen führt. Während im Bereich der medizinischen und diätetischen Therapie Fortschritte zu verzeichnen sind, befindet sich die Erforschung der psychologischen Strukturen noch am Anfang. Gerade hier muss intensive Arbeit geleistet werden, um die Belastung der betroffenen Familien zu mildern.

Was ist PWS?

Bei einem von etwa zehntausend neugeborenen Kindern ist ein Prader-Willi-Syndrom zu erwarten.
Immer mehr Ärztinnen und Ärzte sehen es den muskelschwachen, trinkschwachen und scheinbar lebensschwachen Neugeborenen am Gesicht an, dass bei ihnen mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit ein Prader-Willi-Syndrom vorliegt. Dies wird in einem humangenetischen Diagnostik­labor überprüft, wenn die Eltern es wünschen.
Kindern mit Prader-Willi-Syndrom fehlt entweder ein kleines Stück im väterlichen Chromosom 15 (Mikrodeletion) oder sie haben zwei Chromosomen 15 von der Mutter und keines vom Vater geerbt (uniparentale Disomie 15).

Es fehlt ihnen eine Gensequenz im väterlichen Chromosom 15, erklären die Ärzte den Eltern.

Ganz normal, meinen die Kinder, die sich von Anfang an gemäß diesem Genprogramm entwickeln. Sie treten damit ins Leben ein und haben wie alle Kinder den Anspruch und das Recht, so wie sie sind angenommen, ernst genommen und erzogen zu werden. Von Geburt an gehören sie dazu. Später, als Jugendliche und Erwachsene möchten sie ihren Beitrag zur sozialen Gemeinschaft leisten und dafür anerkannt werden.

Wir machen es den Kindern mit Prader-Willi-Syndrom schwer, wenn wir ihre genetische Konstitution als einen ”Fehler” oder eine ”Krankheit” bezeichnen und wenn wir sie – bewusst oder unbewusst – mit Kindern vergleichen, die kein Prader-Willi-Syndrom haben. Früh sollen die Erwartungen und Wünsche der Eltern auf ihre besonderen Fähigkeiten und Bedürfnisse gelenkt und unzutreffende, ihre Entwicklung behindernde Vergleiche vermieden werden.

Am Anfang müssen die Eltern lernen, ihr unerwartetes Kind anzunehmen. Dann werden auch die Verwandten, Freunde und Nachbarn ”JA” zu ihm sagen. Später benötigt es Erzieher/innen und Lehrer/innen, die es in seiner ganz besonderen Art verstehen und akzeptieren. Es lernt – wie alle Kinder – die Welt zu verstehen und sich darin zurecht zu finden. Wir lernen von ihm, dass das Leben nicht immer gleich ist. Wir stutzen, wundern uns und fragen: ”Was ist hier anders?” Wenn wir offen bleiben erfahren wir, dass anders sein auch in Ordnung ist.

Sabine Stengel-Rutkowski

Zur Befindlichkeit von Jugendlichen mit PWS

Dr. Maria Huber
Klinische Psychologin, PWS AUSTRIA
2002

Ich habe versucht zusammenzufassen, was meiner Erfahrung nach häufig in einem Jugendlichen mit PWS vor sich geht.

Der Jugendliche denkt sich:

„Das, was mir am liebsten ist, ist schlecht für mich und mein größter Feind. Bei jedem anderen ist es völlig selbstverständlich, daß er selber bestimmt, wieviel er ißt. Bei mir nicht. Bei mir bestimmen die anderen, wenn ich auch ein bißchen mitbestimmen kann, was ich esse.
Ich werde immer älter und auch immer selbständiger. Beim Essen muß ich mich aber behandeln lassen wie ein kleines Baby. Das verunsichert und irritiert mich.
Ich weiß, daß es notwendig ist, daß die Eltern mein Essen kontrollieren und will dies auch. Ich bin aber auch böse deswegen. Irgendwie ist es doch eine dauernde Einmischung. Mein Magen gehört doch zu mir, oder ?
Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich aus zwei Teilen bestehe. Ein Teil von mir ist gierig und will essen, ein anderer Teil will dies nicht und findet dies ganz schrecklich. Manchmal setzt sich der gierige Teil durch. Dann tue ich, was mir paßt und reagiere mich ab. Das alles bringt mich ganz durcheinander. Wer bin ich nun wirklich ?
Den gierigen Teil mag niemand leiden, auch ich nicht. Am besten ist, wenn er eingesperrt wird. Am besten ist es, wenn er nicht da ist. Der gierige Teil hat aber den gleichen Namen wie ich. Das bringt mich ganz durcheinander. Am besten ist es, wenn ich alles möglichst schnell vergesse.
Das alles ist ein großes Chaos, das mich so konfus macht, daß ich viel Ruhe brauche. Störungen sind eine Katastrophe.
Ich bin alleine. Warum habe ausgerechnet ich PWS ? Das ist ungerecht. Ich kann doch nichts dafür. Warum werde ich später wahrscheinlich keine Kinder haben können ? Ich bin ein Junge/ein Mädchen, ich will auch Spaß haben. Ich möchte Freunde haben. Ich möchte in einer Clique sein. Ich möchte auch mit einem Jungen/einem Mädchen tanzen und auch ein bißchen herumknutschen.
Meine Mitschüler sind manchmal gemein zu mir. Sie schneiden mich und lachen mich
auch aus. Manchmal werde ich auf der Straße blöd angesprochen. Ich kann doch nichts dafür daß ich PWS habe. Warum wissen die alle nicht, was PWS ist ? Die können sich doch informieren.
Es kommt vor, daß ich so viel gleichzeitig im Kopf habe, daß ich Angst habe, jetzt explodiert er gleich.
Ich bin froh, daß ich meine Hobbies habe. Ich bin stolz darauf, daß es mir in der Schule gut geht, daß ich bereits selber Geld verdiene.

Aber – alle anderen haben kein Problem. Nur ich habe ein Problem. Dabei will ich doch nur so sein wie alle andern.“